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Ein Nachrichtensprecher sieht rot

MAINZ (29. Mai 2015). Sie sind die „halben Menschen“, die Nachrichtensprecher und Moderatoren von „Tageschau“ oder „heute-journal“: Zu sehen ist nur ihr Oberkörper, ihr Konterfei. Das war auch bei Elmar Stelzwedel so: „Ich habe den Katastrophen mein Gesicht gegeben“, sagt der Anchorman eines nächtlichen Magazins.

Aber man hat ihn gefeuert. Von politischen und wirtschaftlichen Dramen berichtend war er auch von privaten Krisen geschüttelt und sprach statt des vereinbarten Kommentars zur Maut den Satz „Moni, komm zurück.“ Elmar Stelzwedel ist mit den Nerven am Ende. Da kann ihm auch der Psychiater nicht helfen.

Dargestellt wird dieses „Personal“ von einem Vollblutkabarettisten: Christian Ehring ist der Telenation bekannt durch seine aalglatten Typen in der „heute-show“ sowie als souveräner Moderator des Satire-Magazins „extra3“; auch auf der Bühne macht er eine äußerst überzeugende Figur – bissig wie unterhaltsam spielt er sein kleines Bühnenstück „Anchorman – ein Nachrichtensprecher sieht rot“ auch in puncto Mimik und Gestik authentisch.

Als Stelzwedel schlüpft Ehring dabei in eine doppelbödig-witzige Rolle: Das „Elend“ des geschassten Sprechers ist der Boden, auf dem die humorige Saat schnell aufgeht. Ehring hakt elegant aktuelle Themen ab. In Mails schreibe er immer ein für Amerikaner unaussprechbares Wort: „Dschihad, Bombe – und Streichholzschächtelchen.“ Wenn Lokführer am Veggiday für ein Tempolimit streiken, darüber würde der Sprecher gerne berichten. Stattdessen bietet ihm die Arbeitsagentur einen Job als Werber einer Frittenbude – im Pommeskostüm.

Der Anchorman Stelzwedel durfte die interviewten Politiker auch mal privat kennenlernen. „Merkel ist wie eine Lehrerin und das Kabinett wie eine Schulklasse“, weiß er zu berichten: Gabriel der Rüpel, der den Fünftklässlern das Pausenbrot klaue, von der Leyen die Streberin, Schäuble das Rechengenie. Und dann gebe es noch die nichtssagenden Typen: „Wie Christian Schmidt.“ Schweigen im Unterhaus: „Das ist unser Landwirtschaftsminister.“

Auf seine Chefin, Dr. Friederike-Gesine Herkenrath-Bovenschen („Vier Namen, aber nur eine Person!“) ist er nicht gut zu sprechen und will sie mit den eigenen Waffen, der medialen Keule, treffen. Er ruft bei der Chefredaktion des Spiegel an, bekommt vom Abo-Service aber nur eine Parmesanreibe angeboten; bei der Bunten interessiert man sich eher für „GNTM“ oder Bettina Wulff und auch bei der „Bravo“ gibt es aufgrund der angebotenen Enthüllungen nur Missverständnisse.

Politisches Kabarett, Medienschelte, scharfzüngige Kommentare – alles mündet in einer „Matrix“-Szenerie, in der Stelzwedel Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden kann. Damit wird die Szenerie, die anfangs etwas konstruiert verknüpft wirkt, richtig rund. Denn tatsächlich sorgt das tägliche Mediengewitter eher für Verunsicherung. Man muss also nachfragen und darf den Stelzwedels dieser Welt nicht alles glauben. Den Ehrings dafür umso mehr.

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