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Der König der Erzähler

MAINZ (20. September 2017). Was haben Horst Evers und der große Loriot gemeinsam? Beide bekamen den Deutschen Kleinkunstpreis: Vicco von Bülow bereits 1979, Horst Evers im Jahr 2008. Und noch etwas eint beide Künstler: Loriot war und Evers ist ein großartiger Erzähler, der unglaublich genau hinsieht, um aus der Detailaufnahme einer eigentlichen Nebensächlichkeit eine wunderbar pointierte und herrlich komische Geschichte zu entwickeln und sie extrem galant in Worte zu fassen.

Auch das aktuelle Programm von Horst Evers – es trägt den Titel „Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“ – ist voll von solch skurrilen Erzählungen, bei denen man nie so recht weiß, ob sie sich denn nun so oder ähnlich im Leben des Kabarettisten zugetragen haben könnten. Möglich wäre es ja, dass Evers nach Geschäftsschluss an ein Mitbringsel für Freunde kommt, indem er der Betreiberin eines Massagesalons per Mailverkehr weismacht, ihre Zimmerpflanze sei nicht nur ein im Blattwerk einer Schefflera gefangener Gummibaum, sondern auch ein aussteigewilliger CIA-Spionage-Roboter – und schon steht das Ding zum Mitnehmen am Straßenrand.

Politisches Kabarett ist von Evers eigentlich nicht zu erwarten. Aber das friedliche Fernsehduell zwischen Merkel und Schulz hat er so nebenbei in einer Bäckerei am Bahnhof gesehen; und da die Sendung zur Tatortzeit lief, hätten manche die beiden auch für das neue Ermittlerpaar gehalten: „Aber zu dialoglastig.“ Evers fängt solche Momente wie eine Kamera ein und schreibt seine Geschichte dann wie mit einem Bildbearbeitungsprogramm. Dadurch bekommen die Stories eine faszinierende Mehrdimensionalität, was der Künstler durch seinen ansprechend modulierten Vortrag noch verstärkt.

Das Publikum im Unterhaus verfolgt begeistert die Begegnung mit Berliner Polizisten, Evers‘ Gedanken zum Berliner Flughafen (und die Parallelen zur Bahnhofstraße vor Ort), des Kabarettisten heiße Liebe zum Sport, die sein Körper jedoch nicht mit ihm teilt und sich mit Fluchtschlaf wehrt, erlebt einen Arztbesuch und einen Riesenhund, der ein Handy verschluckt. Wie gesagt: Unmöglich erscheint das alles nicht.

Horst Evers ist aber nicht nur Geschichtenerzähler, sondern auch Romancier: Alle Geschichten liegen in Buchform vor: „Veraltete Technik, aber unglaublich zuverlässig: mit toller Grafik und unbegrenzter Laufzeit.“ Am 23. September 2017 sendet die ARD um 20.15 Uhr die Verfilmung von Evers‘ 2012 erschienenen Roman „Der König von Berlin“ mit Anna Fischer und Florian Lukas in den Hauptrollen. Es geht um Mordermittlungen, einen Millionär und eine Rattenplage. Horst Evers sagt zum Film: „Das Spannungsverhältnis zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex ist das ewige Thema Berlins. Es ist das Thema des Buchs. Es ist das Thema des Films. Gott sei Dank birgt dieses Thema aber auch sehr, sehr viel Komik. Denn sonst wäre es echt zum Heulen.“

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