» Kleinkunst

Sympathische Planlosigkeit

MAINZ (13. Oktober 2022). Die Stimme aus dem Off nimmt den spärlichen Besuch im kleinen Unterhaus schon mal mit Humor: „Ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht mehr als 20 Leute reinlassen.“ Gekommen sind an diesem Abend leider nur zwölf, um El Mago Masin zu erleben. Dabei gibt es doch etwas zu feiern: „100 Jahre Liegestuhl“ heißt das aktuelle Programm. Der Empfang ist dennoch herzlich – die Verabschiedung später noch viel mehr.

Ist es nicht ein schöner Gedanke, die Welt aus dem Klappmöbel heraus zu betrachten? Masin hat ihn angeblich überall dabei, ja unternimmt nichts mehr außerhalb der halbliegenden Sitzposition. Selbst den Rasen mäht er aus dem Liegestuhl heraus – wenn ihn dabei auch vier Mähroboter unterstützen. So ganz funktioniert es also doch nicht und auch auf der Bühne steht er mehr.

Stets mit Gitarrenbegleitung schaut er amüsiert in die Welt, in der ein offensichtlich junggebliebener 53-Jähriger in der Disco als alter Mann verscheucht wird, der es keinem recht machen kann: Auf seine grauen Haare angesprochen beginnt er, sie cappuccinobraun zu kolorieren, um danach ungläubig gefragt zu werden: „Färbst Du?“ Der Tatsache, immer und überall irgendwie anzuecken, begegnet Masin mit der Waffe der Liedermacher: Er singt einfach drüber.

Zum Beispiel über seinen Vornamen, der ihn zwang, sein Pseudonym „El Mago“ zu kreieren. Dirk, Jan, Jens oder Jochen? Eine kurze Umfrage im Publikum belegt: Nur ein Gunther dürfte beim Ansprechen von Frauen vielleicht das ähnliche Schicksal haben wie El Mago Masin, der mit seinem bürgerlichen Wolfgang hadert. Sprachlich gewitzt und selbstironisch findet der Künstler schnell den Draht zum Publikum, animiert es zum Mitsingen und zeigt, wie attraktiv Improtheater solo sein kann.

Denn der Auftritt des humoristischen Barden wirkt wie ein Zettelkasten oder unaufgeräumter Schreibtisch eines kreativen Kopfes, ist scheinbar Comedy in progress: Fahrig nestelt der fränkische Rasta-Man in seinen Noten, bevor er wieder ein Lied hervorzaubert. Doch diese sympathische Planlosigkeit – als Stilmittel natürlich auch ein Stück weit inszeniert –, verleiht jedem Auftritt Masins eine authentische Note der Extraklasse.

Masino besingt Yogakurse in einer Horde herabschauender Hunde und tatsächlich hebt ein Vierbeiner eines davon, als er den Baum mimt. Es geht um Kirschkernkissen füllende Damen, seine Nebentätigkeit als erfolgloser Motivationstrainer, die kurze Karriere als Stimmungsmusikant und die Oma von Greta Thunberg, die nach der verunglückten Satire des WDR-Kinderchors tatsächlich mit der Kawasaki ihre Runden in der heimischen Legebatterie dreht. Lustig, dass tags zuvor just die schwedische Umweltaktivistin zähneknirschend der Atomkraft das Wort redete.

Und lustig sind auch Masins Lieder, die oft nur als einstrophige Sentenzen angemerkt werden. Doch Gehalt hat alles und vor allem der Gedanke, dass sich die im Sonderangebot verhökerten Buddha-Statuen mal erheben und ohne jede Gewaltfreiheit auf ihre Reduzierung als Gartenschmuck reagieren könnten, ist so grandios wie der tätowierte Hund, auf dem jedes Motiv fehl am Platz ist, das sich der Mensch jedoch mit Verve in die Haut fräst. Keine Frage: Auch ohne kriegstreibenden Putin (für dessen möglicherweise schwindende Manneskraft Masin ein sympathisches Rezept anstimmt) dreht die Welt am Rad. Und wenn zuhause die Fetzen fliegen, hat El Mago Masino einen Tipp: der erbosten Liebsten einfach ein Igelbaby schenken …

zurück