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Sieht aus wie Ali, spricht wie Hans

MAINZ (2. Februar 2015). Seinem Auftritt haftet etwas Mephistophelisches an: der rote Anzug, das diabolische Grinsen über einen garstigen Gag – dieses „Kostüm“, das Kollege Ingo Appelt irgendwann ablegte, es ist auch Fatih Çevikkollu auf den Leib geschneidert. Mittlerweile spielt er sein viertes Programm „Fatihtag“.

Nicht nur der Name reizt ihn zur Wortspielerei: Einige wenige Deutsch-Türken haben es an diesem Abend ins ansonsten „deutsch-deutsche“ Publikum geschafft – sie begrüßt er in der Landessprache, die seine nie war und nestelt ratlos am Mikrophon herum: „Wo dieses Kabel wohl hinführt?“

Derzeit ist Çevikkollu schlicht und einfach der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Platz. Da der erhobene Zeigefinger in der Debatte um die Angst vor und den richtigen Umgang mit dem Islam – der 1972 in Köln geborene Çevikkollu besuchte übrigens sowohl einen katholischen Kindergarten als auch eine kirchliche Grundschule – die falsche Geste ist, streckt der Kabarettist seine Hand lieber mit einem Lachen aus. Beides tut gut.

Çevikkollu agiert als versierter Stand-up-Comedian, spielt mit dem Publikum und seiner Toleranzgrenze. Warum lacht man bei dem einen Witz und schaut beim anderen pikiert zu Boden? Warum ist das Lachen hier offen und äußert sich dort nur in verkniffenem Grinsen? Dass man selbst mancher Schikane nur mit entwaffnendem Humor begegnen kann, zeigt Çevikkollu am Beispiel der Wohnungssuche: Nennt er am Telefon seinen Namen, ist die Bleibe stets schon vergeben. Bei einem späteren Anruf nicht, denn hier nennt er sich anders: „Goebbels – um sicher zu gehen.“

Ist das tatsächlich so? Wie wenige Tage zuvor sein farbiger Kollege Marius Jung stellt auch Çevikkollu Fragen, die sich festsetzen um nachzuwirken. Auch Çevikkollu beherrscht damit das Handwerk des Kabarettisten bemerkenswert gut und mischt es gekonnt mit den Farben der Comedy. Sein Programm „Fatihtag“ ist konstruiert wie ein Workshop mit einem agilen Moderator. Als er nach einem Thema fragt, dem er sich widmen soll, schallt ihm ein einzelnes „Pegida“ entgegen. Solidarität oder Provokation? Çevikkollu behandelt den Topos ausgiebig, indem er beredt darüber schweigt.

Und trotzdem legt er den Finger in die Wunde, berichtet vom traditionsbewussten Großvater, der auf die überlieferte Ehrbezeugung des Handkusses seitens der Enkelin wartet und auf deren Weigerung mit einem starren „Warum?“ antwortet: Der Sohn versucht zu argumentieren, seine Tochter aber ergreift die ausgestreckte Hand und zieht den Opa zur nächsten Eisdiele.

Es gibt viel zu schmunzeln und noch mehr zu lachen an diesem „Fatihtag“. Aber am schönsten weil klügsten sind die Momente, in denen deutlich wird, wie tragikomisch es ist, wenn Vorurteile das Denken ersetzen: komisch, ja – aber eben auch traurig. Wenn sich diese Erkenntnis im Unterhaus Bahn bricht, ist es plötzlich ganz still. Und Fatih Çevikkollu genießt.

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