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Horst Schroth webt das grüne Band der Antipathie

MAINZ – Bislang galt der kleine Kabarettist immer als Größter, wenn es darum ging, sich dem Dauerbrenner Mann & Frau niveauvoll wie bissig anzunehmen und als Zünglein an der Waage diese immer ein bisschen in Richtung des eigenen Geschlechts zu beeinflussen. In seinem neuen Programm „Grün vor Neid“ durfte das Unterhaus-Publikum eine neue Facette dieses begnadeten Bühnenkünstlers kennenlernen.

Neid? Nick Niehaus, das bekannte Alter ego von Horst Schroth, scheint über diesem nagenden Gefühl zu stehen, das er sich wie eine kleine, stacheldrahtbewehrte Kugel vorstellt, die da in unserem Inneren von einer zur anderen Seite rollt. Dafür hat er viele Randnotizen zum Thema parat, die sich aus der Erfahrung im jüngsten Erbstreit nach dem Ableben der geliebten Tante Elsbeth speisen.

Der Abend beginnt und endet mit der Tasse, die Schwägerin Mandy während der Testamentseröffnung zum Wurfgeschoss umfunktionierte – leider eben jenes Erbstück, an deren ewige Wertschätzung der echte Miró geknüpft war. Und schon tobt der Streit ums Pflichtteil.

Gerade die Verwandtschaft ist natürlich der ideale Nährboden für Schroths Gedanken rund um den Neid: Auf Äußerlichkeiten folgen Begierden, auf das Sehen, das Vergleichen und Bewerten. Der Vorschlag, auf den Preisschildern auch den NF, den Neidfaktor von 0 (= Tube Senf aus Bautzen) und 10 (= Lamborghini) abzudrucken, klingt mehr als sinnvoll: „Das kann man dann auch für Städte nutzen, da geht dann bei Google Earth gleich ein entsprechendes Fenster auf.“

Neffe Benni nölt herum, weil Papa Jonas als Niehaus’ Cousin nicht in der Lage ist, ihm einen Kindergeburtstag zu bieten wie Herr Brodersen von Brodersen & Brodersen seiner Tochter und Bennis Klassenkameradin Lisa-Leonie: mit Delphinschwimmen und S-Klasse-Shuttle-Service für die mit besten Kreszenzen abgefüllten begleitenden Eltern. Und Mandy kommt – man merkt es schon am Namen – aus der früheren DDR, an der Schroth einen kurzen Exkurs zum trauten Geschwisterdasein festmacht: „Da hieß es plötzlich: Teilen, teilen, teilen – auch wenn man das neue Geschwisterchen doof fand.“

„Der Neid ist der Kummer über den Erfolg der anderen“, sinniert der Kabarettist über die Umkehrung der Schadenfreude. Das, was Schroth hier als Gegenstand gewählt hat, ist durchaus ernst – und auch so gemeint. Doch er behandelt das Thema mit genügend humoristischem Fingerspitzengefühl und versteht es glänzend, sein Publikum mit immer neuen Bosheiten bei der Stange zu halten.

Schroth wäre aber nicht Schroth, wenn er seine Geschichte in einem Rutsch erzählen würde: Immer wieder schweift er galant in andere Bereiche ab, freilich ohne den Neid aus den Augen zu verlieren. Während des Trauergottesdienstes für Tante Elsbeth lässt er seinen Blick durch die Pracht des katholischen Gotteshauses schweifen („Mein Club, hier bin ich Mitglied!“) und erläutert die beneidenswerten Unterschiede zwischen Papst und Protestantismus: „Hier aufwendige Feiern mit tollen Kostümen und Weihrauch, dort Knäckebrot.“ Die beiden Kirchen könne man durchaus mit den Parteien vergleichen: „Die SPD wäre evangelisch.“

Und schon schlägt Schroth einen kurzen Haken zur aktuellen Personalpolitik nach Beck: „Der lief immer durch Berlin wie ein Rentner durchs Parkhaus auf der Suche nach seinem Opel Vectra.“ Die Pointen prasseln hier wie eine MG-Garbe aufs Publikum nieder. Um diese sprachliche Fähigkeit auf höchstem Niveau mag man ihn in der Tat beneiden.

Was Horst Schroth da zu einem anspruchsvollen Kabarettprogramm verdichtet hat, tangiert schon den Bereich der Philosophie. Indem er sich den Neid vorknöpft und ihn als grünes Band der Antipathie in seine Geschichten um Freunde und Verwandte einwebt, konfrontiert er das Publikum auf amüsante Weise mit der Todsünde der Missgunst. Und weil man hierüber so herrlich befreiend lachen kann, ist diese Begegnung sicherlich nachhaltiger als das Blättern in Katechismen und Brevieren.

Mehr zu Horst Schroth gibt es unter www.horstschroth.de.

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