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Systemkritik in Beutelform

MAINZ (26. September 2011). Eine Szene am Ende des Abends lässt einen schmunzelnd vermuten, dass Marc-Uwe Kling als preisgekrönter Poetry-Slam-Künstler und klassenbewusster Mitbewohner eines kommunistischen Kängurus offenbar zwei Arten von Fans hat: nicht nur jene, die seine pointierte Komik mit ihrer feinen Ironie zu schätzen wissen, sondern auch Juvenile, die nach der letzten Zugabe, einem Spottlied über die Modeerscheinung des Headset-Telefonierens, noch beim Rausgehen als erstes nachschauen, ob man sie während der Vorstellung mobil erreichen wollte – gleichviel: Das Unterhaus war brechend voll und man feierte den Erfinder der beuteltierischen WG – dieser Mann und dieses Tier sind einfach Kult!

„Das Känguru-Manifest 3D“ heißt das neue Programm und Marc-Uwe Kling präsentiert einmal mehr einen vitalen Mix aus Lesung und Liedvortrag: Sätze wie „Da war schon viel Schönes dabei“ werden in aberwitzige Szenen montiert und als „Selbstausbeuter“ sieht er sich als Kuh, die sich selbst am Euter zieht: projektbezogen, irgendwas mit Kreativität und zwischen Burn out und Psychotherapeut. Der Song über die Lobbyisten – „Ich bin der Regisseur und Ihr seid Statist, ich bin der krähende Hahn und Ihr sei der Mist“ – ist satirische Sequenz und scharfes Statement zugleich. Und wer bei den Geschichten mit dem Känguru genau hinhört, findet diese nicht nur brüllend komisch, sondern ortet auch hier den systemkritischen Standpunkt, der mehr will als nur zum Lachen bringen.

Das schafft Marc-Uwe Kling natürlich auch und der Name des Programms „Das Känguru-Manifest 3D“ ist dabei wörtlich zu nehmen: Wo immer der hüpfende Mitbewohner auftaucht, entstehen vor dem inneren Auge des Zuhörers gestochen scharfe Szenen, die Kling mit spürbarer Liebe zum wohl formulierten Fabulieren ausstaffiert. Da macht sich das Känguru daran Graffitis zu korrigieren und führt die Parole „Nazis raus“ wandfüllend ad absurdum: Wo ist ‚raus‘? Und wenn die Nazis dann dort seien, wären sie ja Ausländer, die man willkommen heißen müsse.

Bauernschlau verwickelt es ein entsprechend rechtes Quartett in eine Diskussion um die deutsche Sprache, lässt sich in der Warteschlange am Kassenschalter über die „Bad Bank“ aus und sinniert über den Plan, die Klimaerwärmung zu stoppen, indem man die Erde ein wenig von der Sonne abrückt.

Skurril und aberwitzig greift Kling tief in den Beutel, um mit den An- und Einsichten des pelzigen Australiers kleine Steine ins geistige Getriebe zu werfen, denn so Unrecht hat der boxende Säuger nicht, wenn er das herrschende System in Frage stellt. Und mit seiner Idee, berühmte Zitate falschen Urhebern zuzuordnen, könnte man eigentlich ein eigenes Programm füllen: Abrahams Lincolns Ausspruch „Willst Du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht“ stammt von Robert Koch und Kants kategorischer Imperativ von Silvio Berlusconi?

Mit Marc-Uwe Kling und seinem Känguru treffen sich kluger Sprachwitz und boshafter Intellekt, so dass man sich schon heute über den Verweis im eben erst in Taschenbuchform gedruckten Programm freut: Die Fortsetzung ist bereits in Arbeit.

Marc-Uwe Kling kann man bei Radio Fritz als Podcast hören unter http://www. fritz.de/kaenguru.

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