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Komik mit viel Druck

MAINZ (27. Februar 2013). Das Schweizer Kabarett-Duo „Ohne Rolf“ hat nach „Blattrand“ und „Schreibhals“ ein neues Programm ersonnen – und in Druck gegeben. „Unferti“ heißt es und funktioniert wie seine erfolgreichen Vorgänger: Gesprochen wird kein Wort, dafür aber geblättert. Hinter zwei Pulten stehen Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg, vor ihnen ragen je zwei Dorne hervor, auf die sie die gelochten Plakate spießen. Und darauf steht: ihre „Unterhaltung“.

90 Minuten Schweigen? Ein Stummfilm hat wenigstens noch bewegte Bilder und vielleicht musikalische Untermalung. „Ohne Rolf“ reduziert das Bühnengeschehen noch einmal: aufs Blättern und die Mimik. Und natürlich auf den Lesehunger des Publikums. Und das muss fit sein, um jede Pointe mit den Augen zu verschlingen, denn „Ohne Rolf“ funktioniert vor allem durch seine Rasanz und die konstruierte Schlagfertigkeit, mit der sich die beiden Protagonisten kabbeln.

Das neue Stück spielt im Urlaub – wahrscheinlich zu viel Druck erlebt? Nach einem Taucheinsatz ist Jonas schwindelig, was durch eine in die Länge gezogene Schrifttype dokumentiert wird. Christof hingegen hat Schluckauf und bittet seinen Bühnenpartner, ihn zu erschrecken: „Buh!“, blättert der und es funktioniert. Wie auch der ganze Abend, dessen Stille angesichts manch lauter Comedy-Kollegen einfach mal gut tut.

Wobei auch Christof und Jonas streiten können: in Versalien und Fettdruck natürlich; und auch die mimisch untermalten Art des Blätterns ist ein beredtes Stilmittel. Denn auch, wenn ausnahmsweise mal das gedruckte Wort gilt, gibt es natürlich auch hier Missverständnisse und damit Konfliktpotenzial. Da ist zum Beispiel Jonas‘ Bücherwurm Ranizki, der Christofs Plakate anknabbert; Jonas fallen dauernd Blätter hinunter, so dass das Publikum bereits den Zusammenbruch des Kontexts befürchtet – aber nein: die heruntergefallenen Plakate stehen nur für Gedankenverlorenheit: „Ich kann es nicht fassen“, kommentiert Christof und prompt segelt auch dieses Plakat zu Boden.

Mit feinem Sinn für Situationskomik treibt das „Gespräch“ seinem Höhepunkt entgegen, denn Jonas sieht (wie das Publikum auch) Christof plötzlich als Giraffe in roten Stöckelschuhen, in die er sich prompt verliebt. Der Konflikt ist unausweichlich und irgendwann steht die Erkenntnis in nüchternen Lettern da: „Wir haben uns auseinandergeblättert.“ Ist das Programm noch vor der Pause zu Ende?

Natürlich nicht: Gespielt wird eine alternative Variante mit wortwörtlich gestrichenen Szenen, in der plötzlich der Autor in die Geschichte eingreift. Können die Helden aber an diesen Allmächtigen glauben, als „Plakatheisten“? Mit jähem Rollentausch kommt es zum Showdown zwischen Giraffe und Autor: Wer ist plötzlich der dritte Mann auf der Bühne? Etwa Rolf!? Weitere Ebenen klappen auf – wie in einem richtig gut geschriebenen (und gedruckten) Roman eben.

Weitere Informationen und Termine gibt es im Internet unter http://www.ohnerolf.ch.

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