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Kompositionen von Haydn fürs Handy

MAINZ – Das Präfix „E“ in der Musik steht für ernst, das „U“ für Unterhaltung. Damit aber kann Hans Liberg so gar nichts anfangen. Für den Preisträger des Emmy-Award 1997 sind diese beiden Eigenschaften besonders in der Klassik keine Gegensätze. Im Gegenteil: Der oft als dröge gescholtenen E-Musik entlockt Liberg herrlich unterhaltsame Töne.

Schon der Anfang ist fulminant: Mit der Klangschale auf dem Kopf turnt der Künstler [sic!] über die Bühne und bringt sein Hirn in entsprechende Schwingungen. Gong und Tröte kommen auch zum Einsatz, bevor sich Liberg ans Klavier setzt und munter die Beatles mit Vivaldi und dem „Flohwalzer“ mixt – die klassischen Zitate prasseln mit einer solchen Schlagzahl aufs Publikum nieder, das man kaum mehr mitkommt.

„Das Beste“ aus 25 Jahren heißt die aktuelle Bühnenshow, mit der der Holländer jetzt in der Mainzer Phönixhalle gastierte. In Begleitung eines klassischen Streichquartetts, das in fernöstliche Militärkluft gehüllt auftrat, überstrahlte das Konterfei des Holländers, der als Handwerker im sozialistischen Blaumann daherkam, den Saal: Statt Mao ist es Hans – und der hat immer Recht.

Zum Beispiel im beliebten Melodie-Quiz, in dem Liberg kurze Themen anspielt und sein Publikum auf den musikalischen Holzweg führt: Das Thema der Titelmusik der „Sendung mit der Maus“ findet er bei Bach, „O Tannenbaum“ bei Strauß und immer verziert Liberg die Klassikhits mit Schlagerzitaten und herrlich albernem Klamauk. Wie immer darf mitgesungen werden – wenn auch nicht zum Gefallen des Maestro: „Ich spiele, was Sie singen“, kommentiert er die Polyphonie des Publikums und greift wahllos in die Tasten: Auch bei Stockhausen vermisst er die Ohrwurmqualitäten.

In Mainz wird die Moldau zum Rhein und mit dem lustigen Thema aus „Peter und der Wolf“ imitiert Liberg pianistisch den örtlichen Bürgermeister: „Es ist so einfach, eine Melodie auf eine bestimmte Person zu finden“, meint Liberg und zitiert die berühmte Filmmusik von Laurel & Hardy zu Angela Merkel oder „Je t’aime“ zu Nicolas Sarkozy.

„In dieser Halle haben schon so viele berühmte Pianisten gespielt“, nennt er Arthur Rubinstein und Richard Kleidermann in einem Atemzug. Respekt hat Hans Liberg vor der Klassik sicherlich, doch kleidet er ihn lieber in bunte Gewänder als in Ehrfurcht.

Auch die Gastsopranistin begleitet er bei Rossini eher mit munter züngelndem Sperrfeuer als mit richtigen Akkorden, wenn er die Abkürzungen der Dynamik-Anweisungen mitträllert: „Oper – das ist, wenn die Sängerinnen mit dem Messer gepikst werden und anfangen zu singen anstatt die Polizei zu rufen.“

Für Hans Liberg stellt der Beginn von Beethovens „Für Elise“ – „Jeder spielt es, keiner weiß warum…“ – nicht mehr dar als einen LKW beim Rückwärtsfahren und moderne Klingeltöne ortet er in der klassischen Musik – zum Beispiel bei Haydn: „Dieselben Buchstaben wie im Wort Handy!“

Und der Holländer kann auch richtig schön garstig sein: Als Ray Charles und Stevie Wonder sucht er die richtigen Tasten und stakst mit einem umgedrehten Cello und dessen langen Dorn als blinder Sänger Andrea Bocelli über die Bühne. Auf das Raunen im Publikum meint er jedoch nur lapidar: „Sie haben Recht, das ist peinlich – so ein teures Instrument für nur einen Witz.“

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