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Verschnupftes Trüffelschwein

MAINZ (1. Februar 2012). Nun weiß man endlich, was wirklich passierte an jenem schicksalhaften Tag, an dem Conny Kramer starb. Doch nicht Juliane Werding erzählt es, sondern der Kabarettist Martin Großmann: Auf der kleinen Bühne im Unterhaus spielt er sein fünftes Programm „Trüffelschweine“ und Conny Kramer gehört zu jener obskuren Wettvereinigung gleichen Namens, die das Spiel ums große Glück in kleinen Scheinen zur Perfektion treibt.

Er hat einen „guaden Lauf“, der Niederbayer, auch wenn er seinen Kühlschrank mit einer Hypothek belieh, was seine Frau Brigitte nach zwölf Ehejahren aus dem Haus trieb. Doch Freund Ronny zeigt sich kulant und will das Küchenmöbel zurückgeben, wobei er natürlich mit Conny auf das genaue Datum des Wiedereinzugs wettet. Wie ein güldener Faden zieht sich das Thema Gier durch über zwei Stunden Programm. Und eigentlich ist es hier gut aufgehoben.

Großmann gibt seinem Kramer die unsympathische Aura eines geldgeilen Landeis, das dem früheren Baumhaus seiner Kindheit nachtrauert und von Zeiten schwärmt, in der man hierfür noch aus der Neubausiedlung Bretter klauen und in der örtlichen Eisenwarenhandlung Nägel kaufen konnte. Heute, fast 40 Jahre später, ist alles anders und Kramer hat sich in die Fänge Mammons begeben, in dessen Umarmung er sich allerdings recht wohl fühlt – solange der „guade Lauf“ anhält. Spielt er mit der Gier oder die Gier mit ihm?

Nach furcht- wie fruchtbaren Wetten auf Afghanistan-Tote und Störfälle in deutschen Kernkraftwerken setzt Kramer darauf, dass der Kakaopreis an der Elfenbeinküste steigt, weil die kindlichen Arbeitskräfte nun Kriegsdienst leisten müssen. Mittlerweile genießt er die Schreckensnachrichten im Fernsehen und gibt lukrative Anlagetipps, denn ausgelaufenes Öl hier garantiert teure Shrimps woanders: „Profis kaufen spätestens zwei Sekunden nach der Agenturmeldung über die Katastrophe.“ Gibt es solche Conny Kramers wirklich? Die Grenze zwischen Realität und Sarkasmus ist bei Martin Großmann derart schwimmend, dass man sich kaum zu lachen traut.

Allerdings fallen diesem Zynismus irgendwann die Zähne aus: Den Zocker verlässt das Glück, die Wetten floppen und er selbst wird Opfer seiner Gier, nachdem der Deal um den plutoniumbetriebenen Herzschrittmacher der auszubuddelnden Ex-Tante Marie vom dubiosen Auftraggeber aus Österreich wortwörtlich zerschossen wird.

Fatalerweise spiegelt sich der Verlauf der Geschichte in der Struktur des Programms, denn auch ihm ist unterm Strich nicht allzu viel Fortune beschieden: Nach anfangs „guadem Lauf“ mit gallig-schwarzem Humor verliert sich der Abend irgendwann in Wiederholungen und überflüssigen Intermezzi, büßt somit seine pikante Schärfe ein und mündet in eine anstrengend lange Reprise. Das Trüffelschwein hat heute leider Schnupfen…

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