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Verzicht nur, wenn es nicht weh tut

MAINZ (7. November 2017). Fast nebenbei lässt der Kölner Kabarettist zu Beginn die Bemerkung fallen, dass die heutige Vorstellung eine der ersten Aufführungen seines neuen Programm „Aber bitte mit ohne“ sei. Tatsächlich ist es taufrisch und hat erst wenige Probeläufe hinter sich. Doch Martin Zingsheim ist perfekt präpariert und liefert so nonchalant ab, als sei das Wort Lampenfieber für ihn ein Fremdwort. Und das ist nicht das einzige, was man an diesem Abend bewundern kann.

Das Wörtchen „ohne“ im Programmtitel sollte man nicht mit „Sahne“ verwechseln und einen Schlager-Abend erwarten, warnt der Künstler. Zur Sicherheit liefert er als Zugabe eine kleine Geschichte, die er nur aus Lied-Zitaten von Cornelia Froboess oder Christian Anders bildet. Sprachlich ist Zingsheim ein As, jongliert wunderbar mit der Worten, die ihm im Gegenzug tolle Geschenke machten: „Zum Beispiel: Blut von kongolesischen Minenarbeitern klebt an meinen Fingern – viel besser klingt doch: Ich habe das neue iPhone in der Hand.“

Dass dieser Kabarettist, der 2015 den Förderpreis des Deutschen Kleinkunstpreises erhielt, mit seinen gerade mal 33 Jahren bereits sein viertes Soloprogramm vorlegt, zeugt von einer grandiosen Kreativität, die ihn zu faszinierenden Gedankensprüngen animiert. „Aber bitte mit ohne“ widmet sich immer wieder dem Thema Verzicht. Dabei schwankt Zingsheim zwischen ernster Ironie und bitterem Spott wie eine Nussschale auf einem windgepeitschten Ozean. Dass er dabei nicht kentert, verdankt er seiner Fähigkeit, blitzschnell auf sein Publikum zu reagieren und sein Programm elegant voranzutreiben.

Aus was verzichten wir? Auf alles, was gerade modern ist. Und was nicht in Askese ausartet, was keine Überwindung und auch sonst nichts kostet. Genial beschreibt Zingsheim den Teufelskreis: „Bin ich zu dick, mache ich Sport. Dafür benötige ich teures Equipment, wofür ich mehr arbeiten muss. Daher habe ich weniger Freizeit und esse mehr Fastfood. Wodurch ich noch dicker werde.“ Und auf was will man nicht gerne verzichten! Auf Müll natürlich, trinkt Wasser aber aus Plastikflaschen. Zingsheim beispielsweise hat für seinen Kaffee immer eine Metalltasse dabei: „Da stelle ich dann den heißen Pappbecher rein.“

Worauf er an diesem Abend verzichtet, ist Politik, liefert allerdings in wenigen Minuten zumindest eine theoretische Tirade: „Denken Sie auf jeden Fall an Medienschelte, Sozialromantik, Eliten- und Kirchenkritik.“ Auch dieses Genre könnte er locker bedienen. Doch schöpft er lieber aus dem thematischen Füllhorn, das ihm das Leben in die Hand drückt und sinniert über Bachs Brandenburgische Konzerte oder eine Kulturgeografie deutscher Karnevalsrufe: „Aber bitte mit ohne“ ist eben alles. Und nicht ohne.

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