» Kleinkunst

Spaßprediger mit guten Argumenten

MAINZ (9. November 2017). Lohnt es sich überhaupt noch, diese Zeilen zu schreiben? Ein Blick auf die Uhr zeigt: Ja, denn der von Severin Groebner am Abend zuvor im Unterhaus angekündigte Weltuntergang hätte vor knapp anderthalb Stunden stattfinden sollen.

Dabei war die Informationsquelle eigentlich sicher – der Kabarettist stieß im Internet darauf: „Da steht, was das eigentlich für ein Weltuntergang ist, welche Hobbies er hat und welche Mineralien man zufüttern muss, damit das Fell schön glänzt.“ Doch zum Glück übersteht auch Groebner die angebliche Apokalypse – es wäre schade um diesen Spötter aus Österreich gewesen.*

Der hat durchaus Angst – „so ein Grundbibbern“ – vor einem Anschlag eines Antikabarettisten auf einen Spaßprediger. Doch er ist ja zum Glück nicht allein: In hinreißenden Dialogen gibt er den Verschwörungstheoretiker oder die fragende Naivität. Er spielt Göttervater-Zeus, der sich über die Billiganbieter des Monotheismus‘ aufregt („Unendlich viele Freiminuten – die nennen das Leben nach dem Tod.“); seine Kinder mussten sich anderweitig beruflich orientieren: „Hermes hat einen Postversand, Apollo ist Optiker und Nike macht jetzt Turnschuhe.“ Immer wieder hat auch Groebners persönliche Krise einen gollumartigen Auftritt: früher Mitbewohnerin, heute als Franchisegeber erfolgreich und in Europa, bei Flüchtlingen und auf den Finanzmärkten tätig.

Groebner nimmt das ja offenbar dem Untergang geweihte Abendland von verschiedenen Seiten ins Visier und schüttelt es so lange, bis daraus der Programmname wird: „Abendgang des Unterlandes“. Das wichtigste ist dabei: Sicherheit! Sie sucht er ausgerechnet im türkischen All-inclusive-Urlaub. Doch da sind ja auch „die anderen“, die zum Glück von „Qualitätszäunen aus Ungarn“ in Schach gehalten werden: „Ich teile gerne – auf Facebook“, sinniert er mit knackigem Wiener Schmäh. Seine Weltflucht wird allerdings vom „Migrationshintergrundrauschen“ gestört. Man hat halt auch mal Pech: „Frisches Wasser? Dieses Angebot ist in ihrem Heimatland derzeit nicht verfügbar.“

Severin Groebners Kabarett ist so klug wie bissig. Wenn er seinen Stammbaum bis zum Einzeller zurückverfolgt, zeigt er brillant und feinsinnig den Unsinn jedweder rassistischen Idee: „Meine Nation ist die Kombination.“ Die größte Gefahr für die Kultur sieht er darin, dass die, die sie zu verteidigen vorgäben, gar keine hätten. Stattdessen: Geschichtsrecycling auf der „Müllhalde der Historie“, wo es nach gebrochenem Stolz und gefallenem Hochmut rieche.

Groebner läuft mit solchen Bonmots zu bewundernswerter Hochform auf: „Der Untergang macht uns alle gleich – also gleich alle.“ Da hilft nur der Griff nach den Sternen: Als „Austronaut“ will sich der Wiener Armageddon von oben anschauen – Hauptsache, er berichtet uns dann davon.

zurück