» Kleinkunst

Ein Senior im Jugendrausch

MAINZ (10. Oktober 2012). Stephan Bauer ist glücklich und super gut drauf, wie er seinem Unterhaus-Publikum versichert. Schließlich ist der 44-jährige nach seiner Scheidung endlich wieder in einer Beziehung: mit Sina, einer 25-jährigen „Sahneschnitte“. Und genau da liegt auch der Knackpunkt, der leise knirschend einen feinen Riss durch die bäuerliche Zufriedenheit zieht und das Fragile der Beziehung zwischen der jugendlichen Freundin und dem gereiften Herrn offenbart.

In gut zwei Stunden erzählt Bauer gekonnt von seinem Glück, das also gar keines ist: Alle haben ihn vor dieser Beziehung gewarnt. Doch er orientiert sich lieber an prominenten Vorbildern: Joschka Fischer, Christian Wulff, Dieter Bohlen, Rainer Calmund. Bei letzterem schränkt er ein: Hier handele es sich seitens der Dame um „Geodomie – Liebe mit Landschaften“. So kennt und liebt das Publikum diesen melancholischen Kabarettisten: Im ruhigen Ton seziert er das Zwischenmenschliche, um plötzlich mit der spitzen Pointe aus der Hüfte zu schießen.

Eigentlich ist zwischen Stephan und Sina ja alles ganz unkompliziert – bis auf ein paar kleine Details: Sie ist die reiche Bankerin, er der arme Künstler; sie will am Wochenende feiern, er seine Ruhe; sie hört Hip-Hop, er erinnert sich an Dalli Dalli, Derrick, Clementine und den Melitta-Mann. Die erste SMS, die er von ihr bekam, machte ihm deutlich, dass die Jugend es geschafft hat, 5000 Jahre der sprachlichen Entwicklung mit einem Klick zunichte zu machen. Doch auch er macht Fehler, benutzt auf ihrem I-Pad aus alter Gewohnheit den Textmarker und kennt nur ein Paar, das noch weniger mit der Technik geht: seine Eltern.

Bauer beherrscht es bestens auf der Klaviatur der Geschlechter zu spielen, ohne dabei in Plattitüden zu verfallen – und wenn, dann gelingt ihm selbst das mit eleganter Nonchalance. Dabei wählt er diesmal eine besondere Tonart, indem er den Altersunterschied thematisiert. Zwischen dem Stolz, eine Jüngere erobert zu haben und dem gleichzeitig angeknacksten männlichen Selbstbewusstsein zieht er das straffe Seil, auf dem er seine kabarettistischen Pirouetten dreht. „Sexualität im Alter“ ist für ihn plötzlich brandaktuell, wo er doch in einer Zeit groß wurde, in der „Nacktheit an sich schon eine Sauerei“ war.

Denn eigentlich ist es auch für ihn ein Rätsel, was Sina an ihm findet, dem Angehörigen einer Generation, die sich mittlerweile mit Dinkel-Amarant-Brötchen gesund ernährt und alkoholfreie Oktoberfeste („O-Saft is‘!“) feiert: „Warum heiraten? Leasing tut’s doch auch“, meint Sina und gibt dem aktuellen Programm seinen Namen. Für Stephan Bauer kein Problem: „Entweder ich werde nach zwei Jahren übernommen oder ich gehe zurück zum Hersteller.“ Mama Bauer dürfte sich freuen – und das Publikum auf weitere Geschichten aus dem ach so verkorksten Leben dieses leisen Komikers.

zurück