Stichworteingabe durchs Publikum
MAINZ (17. Februar 2011). Ein gängiges Lexikon ist strukturiert, die Beiträge haben eine bestimmte Länge, die Formulierungen sind stringent – kurz: alles ist aus einem Guss. Bei Wikipedia läuft das anders, wenn auch nicht minder informativ: Jeder darf an diesem virtuellen Folianten interaktiv mitschreiben. Genau hieran knüpft das aktuelle Programm von Comedian Bernhard Hoëcker an: Im Unterhaus spielte er jetzt „Wikihoëcker“ – ein Sammelsurium aus Kuriositäten, frisch präsentiert und dank einer selten zu sehenden Fähigkeit zur Improvisation ständig aktualisiert, erweitert und verfeinert.
Hoëcker ist ein kluger Kopf und ein talentierter Mime. Das beweist er als pfiffiger Ratefuchs im Team von „Genial daneben“ (Sat1), wenn es darum geht, originelle Begriffe zu entschlüsseln und als Schauspieler in „Switch“ (Pro7), wo er mit Kabarettkollegen das eigene Genre der TV-Serien und -Shows mit Schwung verschaukelt. Das Amüsement über andere hält sich dabei stets die Waage mit einer aufgeweckten Selbstironie. So bekennt der 1,59 Meter-Comedian auf der Bühne: „Basketball ist mein Lieblingssport, aber da habe ich keine Chance – als Weißer…“
Nach „Hoëcker, Sie sind raus!“ und „Ich hab’s gleich!“ ist „Wikihoëcker“ das dritte Soloprogramm des kleinen Großen – und ein grandioses: „Ich geb‘ dort nur ein Suchwort ein – muss nicht mal richtig geschrieben sein“, singt die einstige Bonner „Springmaus“ und klickt sich munter durch die Welt des Ganz- und Halbwissens aus dem Internet. Dass das alleine keine zwei Stunden trägt, weiß Hoëcker allerdings genau und hangelt sich daher gekonnt aus dem Stegreif an der jeden Abend neu zu schöpfenden Dramaturgie entlang.
Er erzählt, wie er mit immer wieder neuen Zugangsdaten Artikel der virtuellen Enzyklopädie redigiert. Und diebisch ist die Freude, wenn er Nonsens aus dem Netz zapft; zum Beispiel die „Tatsache“, dass Minister zu Guttenberg mit Vorname auch Wilhelm heißt – eine Falschinformation, die zwei Stunden lang bei Wikipedia zu lesen war und in dieser Zeit von einem Journalisten übernommen wurde; nach der Korrektur des Fehlers stand das zwar nicht mehr im Lexikon, wohl aber im bald dort zitierten Artikel des besagten Kollegen.
Eine der vielen Fragen ins Publikum: „Wer hat schon mal was bei Wikipedia abgeschrieben?“ bringt ans Licht, dass sich ein Gast aus der ersten Reihe schon mal über Sanduhren informierte. „Wieso?“ fragt Hoëcker und erfährt verblüfft: Die Motivation kam dem Wissbegierigen in der Sauna. Wer vorne sitzt, sieht zwar mehr, kommt aber immer wieder dran: Der sympathische Comedian sammelt Spitzen und Gags, um sie immer wieder an den passenden Stellen als Running Gag einzusetzen. Damit gewinnt „Wikihoëcker“ rasch an Dynamik, wobei das bestens unterhaltene Publikum immer wieder Teil des Ganzen wird.