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Bajuwarischer Barde mit Wut im Bauch

MAINZ – Man mag zu Hans Söllner, diesem archaischen Anarchisten stehen, wie man will: zu seinem Kampf für die Legalisierung von Marihuana, zu seinem ständigen Anecken mit der Obrigkeit, zur Pflege des Denkfehlers, den Staat als abstrakten Gegner und sich selbst eben nicht als Teil des Ganzen zu sehen. Doch Zuhören lohnt sich.

Ein „Grüß Gott“ kommt von Herzen, wird aber nahezu die einzige Kommunikation in Richtung Publikum bleiben: Hans Söllner, dieses mittlerweile auch schon über 50-jährige Enfant terrible der deutschen Liedermacherszene, gab ein Konzert im Frankfurter Hof, um seine aktuelle CD „Viet Nam“ vorzustellen.

Die Bühne schmückt deren Coverbild: ein bannerbewehrter Steinbock mit geschwungenem Gehörn, stolz seinen Gamsbart in den Wind streckend – und das leicht jamaikanisch angehaucht in Grün, Gelb und Schwarz mit rotem Akzent. Söllner verleugnet seine Herkunft nicht, am allerwenigsten in seinen dialektgeprägten Texten, versteht sich jedoch eher als Weltbürger.

Söllner polarisiert natürlich bewusst dramatisch und pflegt sein Image als Opposition fern außerhalb jedes Parlaments. In seinen Liedern, in denen es sich oft um Angst und (freilich staatlich ausgeübte) Gewalt, Krieg, Not und Tristesse dreht, spricht er aber auch oft das aus, was viele seiner Fans denken und fühlen, aber so nicht artikulieren können, sich vielleicht auch nicht trauen zu sagen. Renitent beschwört er die Freiheit des Geistes, auch wenn man ihm „die Händ‘, Fiaß, Ohr’n und Hoar“ nimmt.

Anfang dieses Jahres machte der Barde von sich Reden, als er auf dem Gelände der 2006 eingestürzten Eislauf- und Schwimmalle in Bad Reichenhall kampierte, um gegen den Bau einer Fachhochschule just an diesem Platz zu demonstrieren. Keine Frage: Söllner schweigt nicht, wenn ihn die Wut im Bauch zwickt.

In eingängigen Melodien und Rhythmen, schlichten Akkorden und seinem an Bob Dylan erinnernden weiß-blauen Genuschel ist er der personifizierte Protest. Für ihn ist Joschka Fischer der „größte Verräter der Nachkriegsgeschichte“ und im berühmt-berüchtigten Song „Hitler, Bush, Blair – International“ poltert er: „A Drecksau bleibt a Drecksau, egal woher‘s kimmt, ob Staatsanwalt oder Präsident, Namen san egal.“

Gewiss, zuweilen geht die Aggression mit dem Musiker, der an diesem Abend von Denis Riegger (Bass) und Stephan Hofer (Drums) begleitet wird, durch und die Bitterkeit der Anklage verleidet einem den Geschmack. Doch ist es auch jenes blutvolle Engagement, das diesen subversiven Robin Hood des Chansons von manch handzahm gewordenen Kommunarden unterscheidet. An Deutlichkeit lässt bei Hans Söllner höchstens die Aussprache zu wünschen…

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