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Das himmlische Leben auf Erden besungen

KIEDRICH – „Hear my prayer, o Lord“ – Höre, o Herr, mein Gebet! – ist der Titel eines Anthems von Henry Purcell, das der KammerChor Saarbrücken in einem der letzten Konzerte, die das diesjährige Rheingau Musik Festival in Kloster Eberbach bot, anstimmte.

Zwar bildeten die beiden Vertonungen des „Dixit Dominus“ Händels und Vivaldis die kompositorischen Eckpfeiler des Abends, doch war es gerade der Purcell, der angesichts seiner Kürze ungleich höhere Aufmerksamkeit verdiente: Sven David Sandström (*1942) hat sich dieses Anthems angenommen und durchkreuzt es in der Mitte mit einem akustischen Störfeuer, das es aus seinen Angeln hebt und gleichsam in einen völlig neuen Kontext stellt: Sicherlich ist das noch immer Purcell, an dessen kaleidoskopischen Modulationen man sich zuvor noch berauschte – doch das optische Zauberglas ist einem aus der Hand geglitten und am Boden zerschellt. Aus den klingenden Scherben aber setzt Sandström eine neue Musik zusammen, die mit scharfen Dissonanzen wie klanglichen Verschmelzungen arbeitet und schließlich in sanftem Pianissimo verebbt: Solcher Art sind musikalische Sternstunden.

Voraussetzung hierfür ist natürlich ein Chor, dessen Intonation über jeden Zweifel erhaben ist und der die Musik in schlafwandlerischer Stimmsicherheit angeht: Der KammerChor Saarbrücken beherrscht diese Zweigleisigkeit perfekt – Purcell auf der einen, Sandström auf der anderen Seite – und vermochte blitzschnell vom getragenen Barocklang ins Zeitgenössische zu wechseln, ohne dass es zu einem Bruch in der Homogenität kam.

Doch nicht nur die vokale Leistung war stimmig: Georg Grün verfügte mit seinem Kammerchor und dem Orchester Le Concert Lorrain über sich hervorragend ergänzende Klangkörper, die durch die Solisten des Abends – Myung-Hee Hyung und Anne Kathrin Fetik (Sopran), Alex Potter (Altus), Georg Poplutz (Tenor) sowie Markus Flaig (Bass) – ansprechend ergänzt wurden. „Das himmlische Leben“ war dabei zum letzten Mal Schwerpunktthema des Festivals und wurde mit diesem Konzert sozusagen abschließend – und überzeugend! – behandelt.

Meisterhaft setzten die Künstler die Farbigkeit des Händelschen „Dixit Dominus“ um, das trotz Chor- und Solistenpartien eigentlich den Charakter eines großen Konzerts hat. Hoch sind die Anforderungen, die der Komponist da an seine Musiker stellt: Energie und Fülle, Präzision und klangliche Flexibilität, genaue Diktion, kraftvolles Deklamieren und Empathie in den lyrischen Passagen. All das war an diesem Abend abrufbar und ohne hörbare Anstrengung folgte der Chor seinem Dirigenten im raschen Drive und den messerscharfen Koloraturen, im dichten „Juravit Dominus“ wie im bissig skandierten „conquassabit“ (er wird zerschmettern).

Die Solisten überzeugten ohne Ausnahme durch die unaffektierte Gestaltung ihrer Arien. Nur im Duett mit Georg Poplutz fiel der Altus von Alex Potter hörbar zurück, bewies ansonsten jedoch eine angenehm präsente Wendigkeit. Markus Flaig gefiel mit markantem Ton und die Sopranstimmen von Myung-Hee Hyung und Anne Kathrin Fetik boten vor allem im Duett eine aparte Mischung.

Auch wenn bei den Vokalisten im schlichten Magnificat (H.80) Marc-Antoine Charpentiers die differente Aussprache des lateinischen Textes störte, zählt doch der Gesamteindruck des Abends. Und der stimmte: Ein vitales Orchester, das auch in der Dopplung bei Vivaldi stets transparent und konform muszierte, ein sowohl im Tutti als auch in kleiner Besetzung äußerst gefälliger Chorklang und fünf gut aufgelegte Solisten – mehr braucht es ja nicht.

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