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Junge Talente musizieren alte Meister

MAINZ (11. Oktober 2014). Die Werke aus der Feder Johann Sebastian Bachs (1685-1750) scheinen es dem Gutenberg-Kammerchor angetan zu haben: Nach gefeierten Aufführungen der h-moll-Messe und des Weihnachtsoratoriums – letzteres ist demnächst als Live-Mitschnitt auf CD erhältlich –, widmete man sich nun unter anderem dem weltlichen Kantatenschaffen Bachs.

Erarbeitet und dirigiert wurde das Konzert in der Steinhalle des Landesmuseums, an dem auch Solisten von „Barock vokal“ und das Neumeyer Consort mitwirkten, von einem der erfahrensten Spezialisten auf dem Gebiet der Alten Musik: Konrad Junghänel.

Da auf dem Programm „Kantaten des deutschen Hochbarock“ standen, durfte Georg Philipp Telemann (1681-1767) kaum fehlen: In Mainz erklang „Ein ungefärbt Gemüte“ (TWV 1:434) als bisher uneditiertes Stück aus dem Frankfurter Telemann-Archiv. Hier sind barocke Tanzsätze zu hören, was Junghänel mit Schwung und Esprit, aber ohne aufgesetzten Affekt darstellte.

Ohnehin ist er für ein solches Konzert mit programmatischen Schwerpunkten abseits des Mainstream genau der Richtige, denn im Exzellenz-Programm „Barock vokal“ steht das Lernen im Dienste der stimmlichen Charakterbildung, was am besten mit dem Studium nicht des sattsam Bekanntem, sondern des neu zu entdeckendem Alten funktioniert.

So erlebte das Auditorium tatsächlich eine barocke Uraufführung: die aus ihrem Dornröschenschlaf im Notenarchiv von Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) erlöste Kantate „Der Glaube kann Gott den Allmächtigen zwingen“ von Georg Anton Benda (1722-1795). Der hatte für ein Publikum geschrieben, das sich zunehmend nach einem einfacheren Stil sehnte und diesen Wunsch mit neuen Ideen erfüllt. Die klingende Bildlichkeit der Kantate ließ den Gutenberg-Kammerchor besonders klangverliebt und stilsicher musizieren – eine echte Bereicherung der lokalen Vokalszene!

Für Bachs Kantate „Herkules auf dem Scheideweg“ (BWV 213) hätte man indes keinen besseren Ort als die Steinhalle finden können: Der antike Held ringt mit der Wolllust und der Tugend, entscheidet sich letztlich für die sittliche Redlichkeit, wofür er von Merkur als Vorbild dargestellt wird. Gemeint war 1733 allerdings nicht Herkules, sondern der elfjährige sächsische Kurprinz Friedrich Christian: Zeugen Bachs sakrale Kantaten von tiefem christlichen Glauben, waren die weltlichen eher Gunstbezeugungen gegenüber den Herrschenden – und ein lukrativer Nebenerwerb.

Aus der Reihe der Solisten, darunter Cecilia Rodriguez-Morán und Healim Oh (Sopran) und Xiaoyu Wei (Tenor), beeindruckten an diesem Abend Christian Wagner mit kernig-präsentem Bass und (bei Bach) Altus Julien Freymuth. Die Melodien der Arien wie des Eingangschors in BWV 213 waren dem Publikum dabei nur zu bekannt, hatte sie Bach doch später im Parodieverfahren in seinem Weihnachtsoratorium verwendet. Also wurde man auch in diesem Sinne dem eigenen Anspruch, Altes neu zu entdecken, bestens gerecht.

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