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Dreifache Premiere

MAINZ (14. August 2020). Der Mainzer Musiksommer steht nicht nur für ein mittlerweile die ganze Bandbreite klassischer Klänge umfassendes Programm: Er präsentiert auch zuverlässig jedes Jahr ein A-cappella-Ensemble der Spitzenklasse. Man begrüßte unter anderem Amarcord, Calmus, Singer Pur oder New York Polyphony. Auch die Münchner Singphoniker waren jetzt zum wiederholten Mal zu Gast: mit dem neuen Bass Florian Drexel, mit der Premiere ihres neuen Programms „@Home and beyond“ und dem ersten Auftritt überhaupt nach dem Lockdown. Das Publikum im Schloss erlebte also gleich ein dreifaches Debüt.

Teils am Klavier begleitet, teils komplett a cappella präsentierten die Sänger dabei ein hochaktuelles und durchaus gesellschaftspolitisch brisantes Thema: Heimat in all ihren Facetten. Musikalisch erlebte das Auditorium verschiedene Blickwinkel – vom Verlassen und Vermissen der Heimat, der Suche danach, dem Ankommen und Leben dort. Dabei kombinierte das Ensemble durchaus mutig Stile und Epochen, so dass Franz Schuberts „Flucht“ neben Billy Joels „Moving out“ oder Jacques Brels „Ne me quitte pas“ neben dem „Haus am See“ von Peter Fox stand. Ansprechende Arrangements, perfekt und eindringlich dargeboten – die Singphoniker bestehen seit bald 40 Jahren und verteidigen seither erfolgreich ihren Ruf als Profis der ersten A-cappella-Liga.

Und das liegt vor allem an der homogenen Besetzung: Nicht jede Stimme ist gleich groß, doch gerade, weil man keine sechs Solisten hört, sondern ein transparentes und ausgewogenes Ensemble singt, gelingt ein Ton, der vom klassischen Männerquartett wie bei Friedrich Silchers „Am Brunnen vor dem Tore“ bis zum satten und volltönenden Chorklang reicht. Das ist vor allem sehr schön in Johannes Eulers „Friendship“ zu hören, einer Ode an die Freundschaft als eine Facette des Heimatbegriffs, in der der Komponist sich sowohl in moderner Tonsprache als auch im historischen Madrigalstil ausdrückt.

Tenor Daniel Schreiber moderiert das – Corona bedingt leider gekürzte Programm – behutsam und trägt vor den einzelnen Partien Texte vor, die Erich Karlsberger, ein Freund des Ensembles, eigens hierfür collagiert hat: Man hört also nicht nur wunderbare Musik von begeisterten Sängern gesungen, sondern wird zum Nachdenken angeregt – darüber, dass weltweit aktuell etwa 80 Millionen Menschen auf der Flucht sind, dass der Begriff Heimat nicht von Einwohnermeldeämtern verwaltet wird und dass man dort zuhause ist, wo man sich nicht erklären muss. Der Abend ist also weit mehr als Musik – dieses Konzert transportiert zudem wirklich wichtige Botschaften.

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