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Mit dem Wahnsinn an die Börse

Der Kabarettist Hagen Rether merkte jüngst an, dass die Gier der Anleger die der Investmentbanker erst geweckt habe. Doch da ist noch etwas: Das Streben nach Macht, um Einfluss nehmen zu können – ein Eifer, der von den Protagonisten nicht selten euphemistisch als Gestaltungswille bezeichnet wird. Katharina Münk ist mit ihrem Roman „Die Insassen“ eine satirische Parabel gelungen, die eben jenes Phänomen unterhaltsam aufnimmt.

Drei Topmanager brechen zusammen und finden sich in der Nervenklinik St. Ägidius, wieder: Kent Winter, ein schneidiger Börsianer, der nichts anbrennen lässt und seinen Mitmenschen möglichst nicht zu nahe kommen möchte. Hubert Wienkamp, ein geläuterter Schleifer der übelsten Sorte. Und schließlich Wilhelm Löhring –zwangseingewiesen, nachdem er seinen Schreibtisch nicht räumen wollte.

Sie alle haben scheinbar ein „One Way Ticket mit Vollpension ins Hinterland ihres eigenen Verstandes“ gebucht: Winter resigniert und widmet sich der Gartenarbeit, Wienkamp predigt als bekehrter Saulus. Nur Löhring sieht sich in der Klinik nicht als Patient, sondern als Investor, der diese „Firma“ an die Börse zu bringen hat. Herrliche Situationskomik ist vorprogrammiert, das Therapiegespräch wird zum Meeting und die Kantine zum Casino.

Beharrlich weigert sich der einstige Top-Manager, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil: Er bastelt sich seine eigene und biegt alles so zurecht, dass es passt. Katrin Schlick, als Chefsekretärin eigentlich zur Gesundung da, bekommt ihren „Job“ erst in Löhrings Phantasie-Firmengebäude und dann als Urlaubsvertretung in der Klinik. Auch die anderen scheinen wieder Blut zu lecken: Dank Insiderwissen, Internet und alter Kontakte zur leichtgläubigen Wirtschaftswelt beginnt die Roadshow mit einem für den Leser lukrativen Finale.

Und die Idee, die Löhring da hat, ist gar nicht mal so dumm: In Zeiten der Krise wittert der Manager das Geschäft im Kreise der lieben Kollegen. „Depressionen sind gerade in sinnresistenten Berufen recht häufig“, erklärt er seiner „Vorzimmerdame“ und ahnt ungeheures Potenzial, wenn die Wirtschaftsflaute immer mehr ihrer Kapitäne mental auf Grund laufen lässt.

„Die Insassen“ passt vor allem in die Zeit. Katharina Münk hat ihren literarischen Streich in einer flotten Sprache verfasst, die vor Fachtermini nur so strotzt: Small Caps, Corporate Manual, Dealbreak und Private Equity – man muss nicht unbedingt etwas davon verstehen, um sich prächtig zu amüsieren.

Denn parallel läuft das Leben in der Anstalt weiter: Die Moderatorin der Gesprächsgruppe wertet Löhring als „Quotenfrau der zweiten Führungsebene“, den „Seelsorger“ Wienkamp verdächtigt er anfangs als „so einen vom Betriebsrat“ und überhaupt mag er keine Freizeitkleidung, da er sich in ihr „weniger exekutiv“ fühlt…

Katharina Münk: Die Insassen, dtv, ISBN 978-3-423-24752-8, 216 Seiten, 13,90 Euro

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