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Sprechend gesungen und singend gesprochen

„Die schöne Magelone“ von Johannes Brahms beruht als einziger Liederzyklus des Komponisten auf der gleichnamigen Liebesgeschichte von Ludwig Tieck aus dem Jahr 1797 – und diese wiederum auf der Jahrhunderte alten Erzählung, die sich schon in den Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“ findet: Es geht um den Grafen Peter von der Provence, den Magelone, die Tochter des Königs von Neapel, obgleich bereits anderweitig versprochen, als Objekt ihrer Begierde auserkoren hat. Das Paar flieht, der Graf wird von türkischen Sklavenhändlern entführt, kann jedoch entkommen und schließlich seine schöne Magelone freien. Brahms schrieb hierzu 15 Romanzen.

Einspielungen dieses aparten Opus 33 gibt es bereits einige am Markt: manche rein musikalisch, einige mit der textlichen Ergänzung. Doch die im September 2020 produzierte Rondeau-Aufnahme ist nicht nur wegen der exquisiten Interpretation durch den Bariton Klaus Mertens und Michael Schönheit (Hammerklavier) etwas Besonderes, denn hier ist der Sänger nicht nur Interpret der Lieder, sondern deklamiert auch die tragische Liebesgeschichte mit ihrem Happy End höchstpersönlich.

Die Kombination aus Text und Musik gelingt ansprechend, wobei Sprecher und Sänger Mertens räumlich voneinander getrennt agieren (obgleich beide Partien im Schlossgartensalon Merseburg produziert wurden, wo Brahms notabene 1885 selbst musiziert hat): Für die Textrezitation hört man Mertens recht nah mit wohl dosiertem Hall, der Gesang tönt eine Nuance trockener aus größerer Entfernung, mischt sich mit der Klavierbegleitung jedoch perfekt. Der Liedvortrag klingt auch nicht zuletzt durch Einsatz eines Blüthner-Hammerklavier aus der Mitte des 19. Jahrhunderts – erbaut also zu Brahms‘ Lebzeiten! – faszinierend authentisch.

Die gesungenen Texte finden sich nicht im Booklet, stehen allerdings auf der Homepage des Labels als Download zur Verfügung. Wobei: So genau und delikat Klaus Mertens hier singend spricht und sprechend singt, vermisst man die gedruckten Verse kaum. Die klangliche Auslegung der Lieder lässt also keine Wünsche offen und präsentiert den Bariton überdies von einer geradezu tenoralen Seite: Mertens singt hier mit einer juvenilen Höhe, die sich dank der nun doch schon jahrzehntelangen Erfahrung des Sängers auf einem robusten stimmlichen Unterbau prächtig entwickelt.

Die Brillanz dieser Ausnahmestimme besticht einmal mehr und schlägt den Hörer in beiden Rollen unmittelbar in ihren Bann: Bei der Erzählung hängt man förmlich an Mertens Lippen und die Kombination mit der Musik aus gleichem Munde macht „Die schöne Magelone“ von Rondeau zu einem musikalisch-literarischen Gesamtkunstwerk.

Dass hieran auch Pianist Michael Schönheit als delikater Liedpianist seinen Anteil hat und dem gesungenen Wort mit seinen Akkorden, Intervallen und Läufen ein konturenreiches Bühnenbild zeichnet, darf natürlich nicht unerwähnt bleiben. Mit Rondeau hatten Mertens und Schönheit (damals als Organist) 2016 bereits mit anderen Künstlern die wunderbare CD „Telemannische Hauspostille“ produziert. Auch bei der „Schönen Magelone“ ist es das wissende und verständnisvolle Miteinander des Musizierens, das den großen Reiz dieser Interpretation ausmacht.

Johannes Brahms: Die schöne Magelone | Klaus Mertens (Bariton), Michael Schönheit (Hammerklavier) | Rondeau Production ROP6212

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